Wurde das Rad der Regulierung in Sachen Nachhaltigkeit vielleicht etwas zu weit gedreht? Auch Politiker und Institutionen auf EU-Ebene haben sich mit dieser Fragestellung beschäftigt und in der Folge das Omnibus-Paket ersonnen. In der Folge wird die bereits verabschiedete Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) zunächst verschoben und ferner inhaltlich entschärft, um insbesondere KMU von der Bürokratie zu entlasten.
„Stop the clock“ (die Uhr anhalten) heißt die Initiative, die, ausgehend von der EU-Kommission, das Parlament in Straßburg im April beschloss. Der Rat der EU hatte bereits zuvor seine Zustimmung gegeben. Mit dem Inkrafttreten des Rechtsakts verschieben sich die Berichtspflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und zur Sorgfalt in der Lieferkette um zwei Jahre – von 2025 auf 2027 für große Unternehmen, von 2027 auf 2029 für davon betroffene KMU. Gleichzeitig sollen die Regeln für die Berichterstattung inhaltlich geprüft und in ihrem Umfang reduziert werden – ein entsprechender zweiter Rechtsakt wurde bereits von der Europäischen Kommission vorgestellt. All dies soll dem Zwecke der Entlastung von Bürokratie und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU dienen, beschlossen durch die Staatsund Regierungschefs im November 2024 in Budapest.
Politische Zielmarken im Praxistest
Das ist ein Erfolg auch für die mittelständische Wirtschaft. Ihre Interessenvertreter haben in zahlreichen Gesprächen und Stellungnahmen auf die konkreten Herausforderungen in den umzusetzenden Prozessen hingewiesen. So auch Tim Geier vom Mittelstandsverbund. „Die Bedeutung von Nachhaltigkeit steht nicht zur Debatte. Aber wenn politisch Zielmarken gesetzt werden, müssen diese unbedingt praxistauglich sein. Das bedeutet konkret, dass die Berichtspflichten insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen handhabbar sein müssen“, betont der Geschäftsführer des Verbandes.
Nun also Schritte in die richtige Richtung. Konkret soll die Zahl der aktuell von berichtspflichtigen Unternehmen zu erhebenden Datenpunkte massiv beschränkt werden. Gesprächsbedarf gibt es weiterhin. Beispielsweise ist immer noch vorgesehen, unterschiedliche Standards zu Art und Anzahl der zu erhebenden Daten zu setzen – je nachdem, ob große oder kleinere Unternehmen betrachtet werden. „Das ist zu kompliziert. Unser Ansatz ist: Denkt von vornherein vom Mittelstand her und nutzt diesen Rahmen für alle Unternehmensgrößen. Dann kommt es auch nicht zu Trickle-down-Effekten“, sagt Tim Geier. Gemeint ist damit, dass große Unternehmen Nachweispflichten beispielsweise in der Lieferkette durchreichen – das ist zwar per Gesetz verboten, in der Praxis aber gleichwohl zu beobachten.
Dynamik und Komplexität bleiben hoch
Man werde als Mittelstandsverbund somit auch in den weiteren Debatten genau auf die Details und die konkreten Folgen für KMU achten müssen, folgert Tim Geier. Denn schließlich ist die CSRD zwar die für mittelständische Unternehmen bedeutendste, aber nicht die einzige EU-Richtlinie im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Man denke da an die europäische Lieferkettenrichtlinie CSDDD oder die EU-Taxonomie-Verordnung. Auch sie sind Teil des Omnibus-Pakets. Folglich ist nicht nur die Komplexität, sondern auch die Dynamik ausgesprochen hoch. „Wichtig ist, dass die Unternehmen schnellstmöglich rechtliche Klarheit haben, auf welche Pflichten sie sich einstellen müssen“, fordert Tim Geier. „Mit Blick auf die erwartungsgemäß langwierigen Prozesse in den anstehenden Verhandlungen um inhaltliche Änderungen wird die Zeit knapp.“ Der Countdown läuft. Die europäischen Gesetzgeber müssen nun zielgerichtet arbeiten.
(Quelle: PVH Magazin Ausgabe 2/2025, S. 24)